Otto-Wels-Preis für Demokratie: Kreativwettbewerb für junge Menschen

Soest, Januar 2020 – Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Hellmich ruft Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren dazu auf, sich am Kreativwettbewerb für den diesjährigen „Otto-Wels-Preis für Demokratie“ zu beteiligen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind aufgefordert sich kreativ mit dem Thema „Erinnern – Versöhnen – Unsere Zukunft friedvoll gestalten“ 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu beschäftigen.

„Wir suchen kreative Ideen, mit denen sich junge Menschen mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Aufbruch in ein friedliches Europa auseinandersetzen “, sagt Wolfgang Hellmich. Der Abgeordnete ist überzeugt: „Die Erinnerung an die Schrecken des zweiten Weltkrieges ist in der heutigen Zeit besonders wichtig. Sie zeigt uns nicht nur, was es zu verhindern gilt, sondern auch wie wichtig es ist, zu versöhnen und eine friedliche und positive Zukunft zu schaffen, ohne die Vergangenheit aus dem Blick zu verlieren.“

Mit dem Otto-Wels-Preis für Demokratie zeichnet die SPD-Bundestagsfraktion junge Menschen mit kreativen Ideen aus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können dabei aus drei verschiedenen Aufgabenstellungen und aus unterschiedlichen Darstellungsformen – von einer Rede über Fotografien bis hin zu Videos oder Essays – auswählen. Der Preis soll einen Beitrag dazu leisten, dass sich junge Menschen mit den Themen Erinnerungskultur und ein friedliches Zusammenleben in Europa beschäftigen.

Teilnehmen können Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 16 und 20 Jahren, sie können Einzel- oder Gruppenarbeiten einreichen. Die Wettbewerbsausschreibung und das Teilnahmeformular sind unter www.spdfraktion.de/ottowelspreis abrufbar. Einsendeschluss ist der 28. Februar 2020.

„Die Preisträgerinnen und Preisträger laden wir zur Preisverleihung nach Berlin ein“, kündigt Wolfgang Hellmich an. Den ausgezeichneten Beiträgen winken zudem attraktive Geldpreise, die von den SPD-Bundestagsabgeordneten gestiftet werden.

Die SPD-Bundestagsfraktion verleiht den „Otto-Wels-Preis“ 2020 bereits zum siebten Mal. Anliegen des Preises ist es, die Erinnerung an die Schrecken der Nazi-Herrschaft wachzuhalten und das gesellschaftliche Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit immer wieder erneuert und gefestigt werden müssen.

Weihnachts- Winterpause 2020

Bis zum 6. Januar 2020 sind meine Büros in Berlin und dem Wahlkreis geschlossen. Ihre Anliegen werden ab diesem Tag selbstverständlich bearbeitet.

Wir wünschen Ihnen ein schönes Weihnachtsfest, besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2020!

„Stadt, Land, Flucht?! – Lebens- und Wohnräume heute und in Zukunft“

Jugendmedienworkshop im Deutschen Bundestag – ein Workshop für medieninteressierte Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren vom 21. März bis 28. März 2020 im Deutschen Bundestag

Zum siebzehnten Mal lädt der Deutsche Bundestag gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Jugendpresse Deutschland e. V. 25 Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten zu einem einwöchigen Workshop nach Berlin ein.

Unter der Schirmherrschaft von Thomas Oppermann, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, erwartet die Jugendlichen ein spannendes und abwechslungsreiches Workshop-Programm zum medialen und politisch-parlamentarischen Alltag in der Bundeshauptstadt. Sie werden u. a. in einer Redaktion hospitieren, eine Plenarsitzung besuchen und an der Erstellung einer eigenen Zeitung mitarbeiten.

Unter dem Titel „Stadt, Land, Flucht?! – Lebens- und Wohnräume heute und in Zukunft“ werden sich die Jugendlichen im Rahmen des Workshops mit den Herausforderungen für Städte aufgrund ansteigender Zuwanderung, z. B. in Bezug auf die Wohnraumsituation und die Organisation des Lebens in Städten, auseinandersetzen. Dem werden die Auswirkungen sinkender Einwohnerzahlen für ländliche Kommunen, z. B. auf die örtliche Infrastruktur, gegenübergestellt.

Interessierte können sich unter http://www.jugendpresse.de/bundestag bewerben. Bewerbungsschluss ist der 17. Januar 2020.

Wolfgang Thierse: Über die Gesellschaft

Dies ist die – leicht gekürzte – Fassung einer Festrede, die Wolfgang Thierse Ende September bei der Bürgerstiftung in Berlin hielt.

http://www.thierse.de/reden-und-texte/reden/rede-buergerstiftung-berlin/

Ich habe den unabweisbaren Eindruck, dass unsere Gesellschaft polarisiert und auf vielfache Weise gespalten ist. Auf der einen Seite vielfältiges demokratisches Engagement, gelebter Gemeinsinn. Junge Leute gehen auf die Straße für ihre und unsere Zukunft. Auf der anderen Seite erlebe ich, wie sich die Stimmung verändert und verschlechtert hat. Dass der Streit härter, die Kontroversen schärfer geworden sind. Die rhetorischen und gewalttätigen Attacken gegen demokratische Politiker und Journalisten haben zugenommen, von Drohungen bis zum Mord ist tätiger Hass alltäglich geworden. Und dann ein solches Urteil des Berliner Landgerichts! Ich bin fassungslos. Richter nicken zur Verrohung der kommunikativen Sitten! Sie schützen die Anonymität von Gemeinheiten!

Aber darüber hinaus: Es wird insgesamt immer schwieriger, sich auf gemeinsame Wahrnehmungen von Realität zu einigen. Und dass Konsense oder wenigstens Kompromisse schwieriger werden, ja dass diese gänzlich in Verruf geraten sind. Die Wahlergebnisse der vergangenen Wochen und Monate haben die Stimmung nicht verbessert, sondern die Spaltung noch sichtbarer gemacht.

„Gespaltene Mitte. Feindselige Zustände“ – so ist der dazu passende Titel einer Sozialanalyse der Leipziger Universität aus dem vorigen Jahr. Und alle Stimmungsabfragen der letzten Jahre zeigen das gleiche zwiespältige Bild. Eine große Mehrheit der Deutschen meint, dass es ihnen gut gehe. Eine ebenso große Mehrheit aber äußert zugleich die Befürchtung, dass es nicht so bleiben, dass es uns nicht weiterhin und dauerhaft so gut gehen werde. Und dass der Wohlstand ungleich verteilt sei. Mit der positiven ökonomisch-sozialen Gegenwartsbeurteilung korrespondiert auf eigentümliche Weise eine starke Zukunftsunsicherheit und das Empfinden sozialer Ungerechtigkeit.

Auch die „Generation Mitte“-Studie von Allensbach, die sich den 30-59jährigen widmet und vor einer Woche veröffentlicht wurde, zeigt ein vergleichbares Bild: Eine deutliche Mehrheit sagt, es gehe ihnen persönlich gut. Eine noch größere Mehrheit aber macht sich Zukunftssorgen und eine nochmals größere Mehrheit beklagt das schlechter und aggressiver gewordene gesellschaftliche Klima.

Optimismus oder wenigstens Gelassenheit fallen gegenwärtig offensichtlich schwer. Im Gegenteil. Ein vertrauter, gefährlicher, angstgetriebener Mechanismus wird wieder sichtbar und wirksam: Je komplexer und bedrohlicher die Problemfülle erscheint, umso stärker das Bedürfnis nach den einfachen Antworten, umso stärker die Sehnsucht nach den schnellen Lösungen, ja nach Erlösung, nach der starken Autorität. (Wir kennen das aus unserer deutschen Geschichte.) Das ist die Stunde der Populisten, der großen und kleinen Vereinfacher und Schuldzuweiser und Verfeinder. Wir erleben sie in unserer Nachbarschaft: in Holland und Frankreich, in Ungarn und Polen, in Österreich und Italien, in den USA eben auch und ebenso in Deutschland mit der AfD.

Schauen wir ringsum: Die liberale, offene, pluralistische, rechtsstaatliche und sozialstaatliche Demokratie ist nicht die Regel, sie ist eher die Ausnahme. Sie ist ein zerbrechliches politisches System, sie erweist sich als gefährdet, selbst in Europa. Der Blick nach Polen, nach Ungarn, nach Russland, in die Türkei erinnert an eine beunruhigende historische Erfahrung: „Zur Abschaffung von Demokratie eignet sich nichts besser als Demokratie“, so hat Peter Sloterdijk zutreffend bemerkt. In dem Buch der amerikanischen Politikwissenschaftler Levitsky und Ziblatt „Wie Demokratien sterben“ findet sich die Beobachtung, dass heute Demokratien nicht durch Putsch zerstört werden, sondern auf demokratischem Wege, etwa durch Wahlen und ihre Folgen (exemplifiziert am Beispiel der USA und Ungarns und Polens).

Dass die Demokratie eben nicht mehr selbstverständlich, sondern gefährdet ist, das fordert zu ihrer aktiven Verteidigung heraus. Gerade auch in dem, was Krise der Parteiendemokratie, Vertrauenskrise der Volksparteien genannt wird. Gerade auch gegen das, was viele zu Recht als Vergröberung der kommunikativen Sitten erleben: Die Lügen halten Hof als „alternative Fakten“, die sozialen Medien werden immer mehr zu Echoräumen der eigenen Vorurteile, der Entladung von Hass und der Steigerung von Aggressivität.

Wir bemerken gegenwärtig, dass unser Land, dass die deutsche Gesellschaft sich insbesondere durch Migration verändert. Sich auf diese Veränderung einzulassen, ist offensichtlich eine anstrengende Herausforderung. Sie erzeugt Misstöne und Ressentiments und macht vielen (Einheimischen) Angst, vor allem unübersehbar und unüberhörbar im östlichen Deutschland. Pegida ist dafür ein schlimmes Symptom, die Wahlerfolge der AfD sind ein anderes.

Die radikalen Veränderungsprozesse, die von vielen Menschen als bedrohlich empfundenen Beschleunigungen und Entgrenzungen, die der Begriff Globalisierung zusammenfasst, die Migrationsschübe, die Veränderungen der Arbeitswelt durch die digitale Transformation, die ökologische Bedrohung, die Ängstigungen durch Terrorismus, Gewalt, kriegerische Konflikte, insgesamt das Erleben einer „Welt in Unordnung“ – das alles verstärkt auf offensichtlich dramatische Weise das individuelle und kollektive Bedürfnis nach neuen (und auch alten) Vergewisserungen und Verankerungen, nach Identität, nach Sicherheit, eben nach Beheimatung.

Die Gefühle der Unsicherheit, der Gefährdung des Vertrauten und Gewohnten, der Infragestellung dessen, was Halt gibt und Zusammenhalt sichert, insgesamt Entheimatungsbefürchtungen und Zukunftsunsicherheiten – sie sind allerdings höchst ungleich verteilt. So gibt es – drei Jahrzehnte nach Friedlicher Revolution und Deutscher Einheit – eine West-Ost-Ungleichheit der Sicherheiten und Gewissheiten: Nach den ostdeutschen Erfahrungen eines Systemwechsels, eines radikalen Umbruchs sowohl ökonomisch-sozialer wie moralisch-kultureller Art, nach dem vielfachen Erlebnis der Entwertung und des Entschwindens der eigenen Lebenserfahrungen und Lebensleistungen.

Und zur Dialektik der Globalisierung gehört offensichtlich eine neue, vor allem kulturelle Spaltung der Gesellschaft (die allerdings die „älteren“ sozialen Spaltungen nicht zum Verschwinden bringt). Diese Spaltung wird in unterschiedlicher Terminologie beschrieben: zwischen den „Somewheres“ und „Anywheres“, zwischen dem „kosmopolitischen“, libertären, urbanen Teil der Bevölkerung und dem „kommunitaristischen“, lokalorientierten und gebundenen Teil. Wie angemessen diese Termini sind, sei hier nicht diskutiert aber doch festgehalten: Es sind ja nicht die kosmopolitischen Eliten, die Libertären, die auf den Wellen der Globalisierung Surfenden, die Modernisierungsschübe erfolgreich Meisternden, die Entheimatungsbefürchtungen und Entfremdungsängste empfinden. Es sind die Anderen, die die Veränderungen durch Globalisierung und durch das Fremde und die Fremden als Gefährdung ihrer vertrauten Lebenswelt, auch als sozialen Verteilungskonflikt erfahren.

Diese Anderen reagieren auf die Öffnung der Grenzen mit dem Wunsch nach neuen Grenzen, mit dem Wunsch zurück zum souveränen Nationalstaat. Sie reagieren auf die postmoderne Vielfalt und den kulturellen Pluralismus mit dem Wunsch nach kultureller Eindeutigkeit von Identitäten, nach verbindlichen Werten, nach nationaler Leitkultur. Man kann auf solche Wünsche mit purer Ablehnung und Verachtung reagieren, was ich allerdings für falsch halte. Die Rechtspopulisten tun das Gegenteil und das erklärt wenigstens zum Teil ihren Erfolg.

Gelingende Demokratie in einer pluralistischen Gesellschaft verlangt nach einem Fundament von Gemeinsamkeiten, nach einer gemeinsamen Antwort auf die Frage nach ihrer politischen Identität. Um der Zukunft der Demokratie willen müssen wir uns immer wieder neu des ethischen und kulturellen Fundaments der Demokratie als politischer Lebensform der Freiheit vergewissern. Gerade in umkämpften Zeiten, in zersplitterter Kommunikation, angesichts von zunehmender sozialer, kultureller und weltanschaulicher Heterogenität haben wir nach dem „Wir“ der politischen Gemeinschaft zu fragen: Wie möchten wir leben? „Als Freie und Gleiche in einem offenen, demokratischen Gemeinwesen oder in einem eher geschlossenen autoritären System? „ (Andreas Voßkuhle).

Die Antwort scheint deutlich schwieriger geworden zu sein – in einer zwiegespaltenen Zivilgesellschaft (die zuvorderst, aber nicht nur an der Flüchtlingsfrage gespalten ist, sondern auch in Ost und West). Es geht in dem Streit um Zugehörigkeit, um Anerkennung, um Teilhabe und am Schluss letztendlich darum, ob es gelingt, einen gemeinsamen Sinn für Zugehörigkeit (Ralf Dahrendorfs „sense of belonging“) zu entwickeln. Je pluralistischer eine Gesellschaft, je streitiger eine Demokratie ist, umso wichtiger werden eben fundamentale  Gemeinsamkeiten, umso mehr müssen wir uns darum kümmern, dass die geschwächten gesellschaftlichen Bindekräfte wieder gestärkt werden!

Das ist keine ganz neue Einsicht. Schon bei Adolf Arndt, dem sozialdemokratischen Parlamentarier und Juristen der 50/60er Jahre findet sich der gewichtige Satz: „Demokratie als System der Mehrheitsentscheidungen setzt die Einigkeit über das Unabstimmbare voraus.“

Wir müssen uns dringlich fragen, was zu tun ist in einer immer stärker zersplitterten Gesellschaft, in der Partikularinteressen zu dominieren scheinen, in der der Grundkonsens bröckelt. Je pluralistischer eine Gesellschaft, umso dringlicher die Frage nach grundlegenden Gemeinsamkeiten. Der frühere langjährige Verfassungsrichter Ernst Wolfgang Böckenförde hat den (inzwischen endlos oft zitierten) Satz formuliert: „Der freiheitliche säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er nicht selbst garantieren kann.“ Die Sicherung dieser Voraussetzungen, dieses ethischen und kulturellen Fundaments ist Aufgabe der Bürgergesellschaft und darin insbesondere der kulturellen Kräfte und also auch der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.

Die Verteidigung und Stärkung der Demokratie ist deshalb wesentlich auch eine kulturelle Aufgabe. Eine pluralistische und zunehmend heterogener werdende Gesellschaft ist geprägt durch Wert- und Identitäts-Konflikte, also durch Kulturkonflikte. Damit haben wir weniger (positive) Erfahrungen als mit der Austragung von (sozialökonomischen) Interessenskonflikten. In welcher Sprache tragen wir sie aus – zwischen falschem Korrektheitskorsett einerseits und der Sprache der Ausschließung, der Aggressivität, des Hasses andererseits. Darüber müssen wir reden! Wie ermöglichen wir die Erfahrung des Gehörtwerdens (und überwinden das Gefühl, „die da oben wissen nichts von uns, die verstehen uns nicht…“). Das Schließen der sogenannten Repräsentationslücke darf ja nicht heißen, dass Hass und Aggressivität, dass Rassismus und Antisemitismus nun auch im Parlament stattzufinden hätten!

Genau das passiert aber nun: Missstimmung, Wut, Verachtung, Hass – das alles hat nach den Landtags- und Bundestagswahlen seinen Weg in die Parlamente gefunden. Es wird unüberhörbar jetzt auch im Deutschen Bundestag ausgedrückt. Der bisherige parlamentarische Common sense ist durch die AfD aufgekündigt. Wer anfangs, wie manch journalistischer Kommentator meinte erwarten zu dürfen, dass durch den Einzug der AfD die Bundestagsdebatten lebendiger würden, der sollte inzwischen belehrt sein durch deren Auftritte. Hass und Hetze sind keine Lebendigkeit! Gezielte Provokationen befördern nicht die argumentative Debatte – so wenig wie  Fouls ein Fußballspiel wirklich bereichern. Mit absichtsvollen rethorischen Tabuverletzungen und politisch-moralischen Grenzüberschreitungen verschieben die AfD-Parlamentarier Sitzungswoche für Sitzungswoche das, „was man doch noch mal sagen darf“. Wir, die Bürger, sollten genau hinhören und hinschauen, was die AfD innerhalb und außerhalb der Parlamente sagt und tut. Welche Sprache sie spricht. Und wir sollten deren „fraiming“ erkennen, die sprachliche Strategie durchschauen lernen.

Demokratie ist Streit, ist Debatte. Sie wird schwieriger angesichts von Rechtspopulisten und –Extremisten in den Parlamenten und angesichts der aggressiven Stimmung im Alltag. Wie gelingt ein demokratischer Diskurs in solchen Zeiten und mit wütenden Bürgern und rechtspopulistischen Ideologen. Es geht darum, die richtige Mischung zu finden zwischen Verstehens-Orientierung und Konfrontations­bereitschaft. Beschimpfungen und Stigmatisierungen helfen nicht. Das Gespräch zu suchen ist übrigens nicht nur Aufgabe von Politikern, sondern es ist Bürgeraufgabe. Als Demokraten sollten wir immer wieder neu versuchen, „Hermeneuten der Wut“ (Bernhard Pörksen) zu werden. Je konkreter, je faktenbezogener, je versachlichender das Streitgespräch, die Problembesprechung ist, umso besser! Dauerempörung über die Anderen ist hilflos. Besser ist der Versuch, falsche Behauptungen sachlich richtig zu stellen, ideologische Motivationen und Absichten sichtbar zu machen. Aber gelegentlich hilft auch nur die Bereitschaft zum entschiedenen Widerspruch.

Wir sollten auf Unterscheidungen achten: Angst und Hass sind sehr verschiedene Emotionen, Angst überwindet man nicht durch Schulterklopfen oder Beschimpfungen, sondern durch Aufklärung, durch Gespräch, durch Begegnung, durch gemeinsames Handeln. Hass (gegen Fremde, gegen Ausländer, gegen Juden, gegen Demokraten) haben wir offensiv und selbstbewusst zu begegnen und zu widersprechen. Die Artikulation von Besorgnissen ist etwas gänzlich anderes als Hetze. Wir sollten in jedem Fall auf solche Unterscheidungen achten und danach handeln.

Zum Schluss: Für das gesellschaftliche Klima ist gewiss (auch) Politik verantwortlich – durch die Art wie sie kommuniziert, durch den Stil in dem sie streitet. Und vor allem dadurch, dass sie immer wieder den Beweis ihrer Handlungskraft und Problemlösungsfähigkeit erbringt.

Besuch beim Bundesamt für Personalmanagement in Köln

Am 22.9.2019 habe ich, begleitet vom Vorsitzenden des Arbeitskreises Sicherheit und Bundeswehr der NRWSPD Oberst a.D. Joachim Schaprian, das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln besucht. Nach einem persönlichen Gespräch mit der Präsidentin des Amtes Sabine Grohmann habe ich eine  Einweisung in das Amt durch Lagevorträge des Führungspersonals erhalten. Das Amt mit seinen mehr als 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat u.a. den Auftrag eine einheitliche Personalführung für das militärische und zivile Personal der Bundeswehr sicher zu stellen. Eine wichtige Aufgabe des Amtes ist  die Gewinnung und Bindung von qualifizierten Personal. Erfreut habe ich zur Kenntnis nehmen können, dass die Personalgewinnung weiter sehr erfolgreich verläuft und bei einer guten Bewerberlage qualifizierter Nachwuchs im ausreichenden Umfang für die Bundeswehr gewonnen werden konnte. Deutlich wurde, dass die Arbeit dieses Amtes von zentraler Bedeutung für die Berufszufriedenheit der Angehörigen der Bundeswehr ist.

Erfreut habe ich zur Kenntnis genommen, das die Trendwende Personal bei Berufs- und Zeitsoldaten, aber auch bei den Beamten greift. Seit 2016 ist u.a. einen Zuwachs von ca. 9000 Soldatinnen und Soldaten und von ca. 2300 Beamtinnen und Beamten zu verzeichnen. Unser Attraktivitätsprogramm, u.a. auch mit unserem Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz, wirkt. Für viele Angehörige der Bundeswehr haben sich die Wartezeiten zur Beförderung deutlich verringern, bzw. aufgelöst. Bei einer insgesamt guten Bewerberlage kann der Personalbedarf, mit Ausnahme des technischen gehobenen Dienstes, im fliegerischen Dienst im IT-Bereich weitestgehend, gut gedeckt werden. Deutlich wurde aber auch, dass es bei der Gewinnung von Reservisten, die auf Dienstposten der Reserve beordert werden wollen, erhebliche Personalprobleme gibt. Ob die Überlegungen zur Verbesserung der Personallage durch die im Entwurf vorliegende Strategie der Reserve verbessert werden kann, bleibt abzuwarten. Das Motto des Amtes ,“von der Verwaltung zur Gestaltung“ scheint im Personalwesen zu greifen.

Die Vorträge und Gespräche mit dem Führungspersonal waren für mich vom großen Interesse, sehr informativ und hilfreich für meine Aufgabe im Verteidigungsausschuss. Ich habe viele Anregungen für meine weitere Arbeit aus dem Amt mitgenommen.

Besuch beim Landeskommando NRW

Am 22.9.2019 habe ich, begleitet vom Vorsitzenden des Arbeitskreises Sicherheit und Bundeswehr der NRWSPD Oberst a.D. Joachim Schaprian, erneut das Landeskommando in Düsseldorf besucht und an diesem Tag sehr gute und informative Gespräche mit dem Kommandeur Brigadegeneral  Torsten Gersdorf, den Soldatinnen und Soldaten des Kommandos und Vorsitzende des Reservistenlandesverband NRW Wehrend geführt. Mit einem Lagevortrag im Kreis der Stabsabteilungsleiter des Kommandos wurde ich über die vielfältigen Aufgaben des Kommandos informiert. Auftragsschwerpunkt des Landeskommandos Nordrhein-Westfalen (LKdo NW) ist die zivil-militärische Zusammenarbeit sowohl auf Landesebene (Landtag, Landesregierung und Landesbehörden) als auch auf Ebene der Regierungsbezirke, Kreise und kreisfreien Städte. Das Kommando berät zivile Behörden ebenen gerecht über Fähigkeiten der Bundeswehr im Hilfeleistungsfall, vertritt die Interessen der Bundeswehr im Bundesland durch Zivil-Militärische Zusammenarbeit. LKdo NW plant und führt durch die Ausbildung und Inübunghaltung für ca. 1.000 beorderte Reservisten, vor allem in den Bezirks- und Kreisverbindungskommandos und in den Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräften. Nach meiner Bewertung ist das Landeskommando gut aufgestellt, um bei einer Katastrophe in NRW die Unterstützung durch die Bundeswehr zu koordinieren. Diskutiert wurde auch über die neue Strategie der Reserve, die Grundlage sein wird, in Zukunft mehr Soldaten für den Einsatz als reserist zu gewinnen.

In NRW ist die Bundeswehr an 26 Standorten mit insgesamt ca. 32.000 Soldatinnen/Soldaten und zivilen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern vertreten und damit weiter einer der großen Arbeitgeber. Waren in 2010 noch an  42 Standorte die  Bundeswehr vertreten, sind in den letzten Jahren 16 Standorte aufgelöst. Umso wichtiger ist für mich die Informationsarbeit über die sicherheitspolitischen Fragen im Lande durch die Jugendoffiziere der Bundeswehr. Obwohl sich die Personallage bei den Jugendoffizieren verbessert hat, sind weiterhin Stellen umbesetzt. Hier werde ich mich dafür einsetzen, dass die freien Stellen beim Landeskommando zügig besetzt werden und die Aufgabe der Jugendoffiziere aufgewertet wird. Des weiteren habe ich Gespräche mit dem Vertretern des Kompetenzzentrums Baumanagement in Düsseldorf geführt.

Unbefriedigend bewerte ich  die Situation bei der Modernisierung und beim Neubau von Unterkünften für die Soldaten, aber auch bei der technischen Infrastruktur in NRW. Trotz eines großen Investionsbedarf und vorhandener Haushaltsmittel geht die Modernisierung deutlich zu langsam. Hier ist die Bauverwaltung des Landes NRW in der Pflicht, aber auch das BMF ist gefordert, z.B. die Grenzen für den  Bauunterhalt flexibel zur schnelleren Verbesserung der Bausubstanz zu erhöhen. Hier werde ich meine Kollegen im Parlament, aber auch die Landesregierung um Unterstützung bitten, damit die Baumaßnahmen zügiger durchgeführt werden können.

Pflegeausbildung: Nachwuchs dringend benötigt

Im kommenden Jahr steht eine große Änderung bei der Pflegeausbildung an: 2020 fällt der Startschuss für die generalistische Pflegeausbildung.

Dies nahmen sich nun SPD-Abgeordnete aus Kreistag, Landtag und Bundestag zum Anlass, sich vor Ort bei ausbildenden Einrichtungen im Kreis Soest ein Bild zu machen und um zu erfahren, was aus deren Sicht getan werden muss um eine gute Pflege sicherzustellen.

Begonnen haben dabei Susanne Helfrich, Kreistagsabgeordnete aus Lippstadt und sozialpolitische Sprecherin der SPD, Marlies Stotz, Unterbezirksvorsitzende der SPD im Kreis Soest und Landtagsabgeordnete, sowie Wolfgang Hellmich, Bundestagsabgeordneter, mit Vertreterinnen und Vertretern der LWL-Kliniken in Eickelborn. Im Gespräch wurden Probleme schnell adressiert: Als Bundesgesetz beschlossen, fehlt für die neue Pflegeausbildung noch die Verordnung des Landes NRW für die konkrete Umsetzung. Dies erschwere die Zukunftsplanung aktuell erheblich.
Ein großes Problem sei es auch, junge Menschen von einer Ausbildung im Pflegebereich zu überzeugen. Ein Studium ist für viele Schulabgänger nach wie vor interessanter als eine Ausbildung zu beginnen. Vor der Frage, wie man junge Menschen für eine Ausbildung im eigenen Hause gewinnt, steht auch die Caritas im Kreis Soest, die die Sozialdemokratinnen und –demokraten in dieser Woche im Pflegeheim St. Annen-Rosengarten in Lippstadt besuchten.

Stephanie Reckhard, Leiterin des Pflegeheims, sieht die Politik unter Zugzwang geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich für höhere Löhne in Pflegeberufen ein, der entsprechende Gesetzesentwurf wurde im Juni 2019 bereits vom Kabinett beschlossen. Auch die SPD im Kreis Soest möchte die Pflegeberufe attraktiver machen: Eine gezielte Imagekampagne soll das Interesse bei Schulabgängern, Erwerbsrückkehrenden und weiteren Zielgruppen wecken.

Gute Erfahrungen hat die Caritas mit der Ausbildung von Menschen mit Migrationshintergrund gemacht. Innerhalb kürzester Zeit haben sich die Azubis in das Team integriert und leisten nun einen wertvollen Beitrag zur Altenpflege, berichtete Bettina Wiebers aus dem Vorstand der Caritas Kreis Soest.

Treffen im Pflegeheim St. Annen Rosengarten
v.l.n.r.: Wolfgang Hellmich MdB, Marlies Stotz MdL, Wilfried Jäger, Susanne Helfrich, Axel Bohnhorst (Regionalleiter Caritas), Bettina Wiebers und Stefanie Reckhard.

Kooperation zwischen Soest, Arnsberg, Olpe, Menden und Bad Berleburg als Smart-City Modellstandort ausgewählt

Soest, 10. Juli 2019 – Heute wurden die ersten 13 „Modellvorhaben Smart Cities“ verkündet. Beworben hatten sich deutschlandweit rund 100 Städte und Gemeinden mit Projektskizzen. In der Kategorie „Interkommunale Kooperationen und Landkreise“ wurde unter anderem die Kooperation zwischen Soest, Olpe, Menden und Bad Berleburg (Projekt „5 für Südwestfalen“) als Modellstandort ausgewählt.

Wolfgang Hellmich, heimischer SPD-Bundestagsabgeordneter erklärt dazu: „Ich freue mich, dass mit dem Projekt „5 für Südwestfalen“ unsere Region als Modellstandort ausgesucht wurde. Die geförderten Vorhaben sind Zukunftsprojekte für die Entwicklung und Nutzung digitaler Technologien in der Stadtentwicklung. Dazu gehört nun auch die Region Südwestfalen.“

Mit der Förderung der ersten 13 Smart Cities-Modellvorhaben sollen beispielhaft in Kommunen strategische und integrierte Smart-City-Ansätze entwickelt und erprobt werden. Weitere Modellvorhaben sollen im nächsten Jahr dazukommen. Die überaus große Resonanz zeigt, dass das Programm Modellvorhaben Smart Cities von hoher Bedeutung für die Kommunen ist.

Wolfgang Hellmich ist erfreut: „Die Förderung wird deutliche Impulse für die kooperierenden Städte, die Region Südwestfalen und die Stadtentwicklungspolitik insgesamt auslösen. Mit den Smart Cities-Modellvorhaben wird es uns gelingen, unsere Kommunen zukunftsfähig zu machen. Dabei muss die Digitalisierung mit und für die Menschen vor Ort gestaltet und genutzt werden. Unser Ziel sind lebenswerte Kommunen im Sinne der nachhaltigen, modernen europäischen Stadt.“

Bewerben konnten sich kommunale Gebietskörperschaften jeder Größe, Gemeindeverbände und andere Formen der interkommunalen Zusammenarbeit, wie Städtenetzwerke oder Stadt-Umland-Partnerschaften. Unter www.smart-cities-made-in.de gibt es weitere Informationen.

Motor der Stadtentwicklung

Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Wohnraumförderung

„Wohnen als Motor der Stadtentwicklung“ haben die Lippstädter Sozialdemokraten als einen der zentralen Aspekte in ihrem Arbeitspapier zum Quartier „Auf dem Rode“ herausgestellt. Darüber und etliche andere Punkte – wie eine Neuauflage des sozialen Wohnungsbaus und die drastische Verteuerung von Bauland – diskutierte die von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) im Lippstädter „Kasino“ angebotene und vom Soester Bundestagsabgeordneten Wolfgang Hellmich geleitete Runde „Bauen, Mieten, Wohnen – Wie gelingt eine gute Wohnraumförderung für alle?“

Verantwortlich für einen informationsreichen Abend zum Komplex Bauen, Mieten und Wohnen im Lippstädter „Kasino“: Von links Hans Zaremba als örtlicher Organisator, Josef Niehaus, GWL-Aufsichtsratsvorsitzender, Melanie Kloth von der NRW-Bank, Wolfgang Hellmich, heimischer Bundestagsabgeordneter, Henriette Kiefer, Repräsentantin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, und Bernhard Daldrup, Bundestagsmitglied aus dem Kreis Warendorf.

Bodenpolitik

Mit auf dem Podium waren neben dem Moderator sein SPD-Fraktionskollege im Bundestag, Bernhard Daldrup aus Sendenhorst, Melanie Kloth, Fachfrau der NRW-Bank für die Beobachtung des Wohnungsmarktes, und als örtlicher Matador Josef Niehaus, SPD-Ratsherr und Vorsitzender des Aufsichtsrates der GWL (Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Lippstadt). Von der FES-Mitarbeiterin Henriette Kiefer war zur Eröffnung der über zweistündigen Debatte im einstigen Offiziersheim der vormals an der Lippe stationierten britischen Streitkräfte der Rückgang der Sozialwohnungen in Deutschland von rund vier Millionen in den 1980er Jahren auf gegenwärtig eine knappe Million beklagt worden. Für den heimischen Parlamentarier Wolfgang Hellmich ein Problem, „das unter den Nägeln“ brenne. Zugleich erinnerte er an den früheren Bundesbauminister Hans-Jochen Vogel, der bereits in den 1970er Jahren eine Debatte um eine neue und gerechtere Bodenpolitik angestoßen habe. Der Soester SPD-Politiker teilte die kürzlich nochmals vom ehemaligen SPD-Parteichef erhobene Forderung, die Problematik bei der Wurzel zu greifen, nämlich bei den Bodenpreisen und dem was sie treibt: die Spekulation. Die teils kräftige Verteuerung von Baugrundstücken habe die Lage bei den Wohnungsmieten zusätzlich verschärft, fügte Hellmich hinzu.

Wollen eine Bodenreform, um der Spekulation einen Riegel vorzuschieben: Die Bundestagsabgeordneten aus der SPD, Wolfgang Hellmich aus Soest (links) und Bernhard Daldrup aus Sendenhorst im Kreis Warendorf.

Privatisierungsbremse

Als wichtigste wohnungsbaupolitische Ziele der SPD-Bundestagsfraktion charakterisierte ihr kommunalpolitischer Sprecher, das Bundestagsmitglied aus dem benachbarten Kreis Warendorf, Bernhard Daldrup, „soziale Städte und lebenswerte Quartiere mit bezahlbaren Wohnraum“. Deshalb wolle seine Partei den Anstieg der Mietpreise begrenzen. „Um den Wohnungsmarkt zu entlasten, brauchen wir mehr staatliche Steuerung“ unterstrich der einstige Leiter des Amtes für Stadtentwicklung in Beckum und betonte: „Daher wollen wir die Privatisierungsbremse anziehen, Mieten deckeln und die Entwicklung der Bodenpreise dämpfen.“ Der seit 2003 als hauptamtlicher Geschäftsführer der SGK (Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik) in Nordrhein-Westfalen tätige Daldrup führt die angespannte soziale Lage auf dem Wohnungsmarkt auch auf politische Versäumnisse der Vergangenheit und einer gleichzeitig renditegetriebenen Immobilienwirtschaft zurück. Gleichwohl versetzte der Begriff Enteignung viele Gemüter in Unruhe. „Dabei sind im Grundgesetz in den Artikeln 14 und 15 Enteignung und Vergesellschaftung verankert – aber nicht ohne Berücksichtigung des Schutzes des Eigentums.“ Die Möglichkeit von Enteignungen ziehe kaum jemand in Zweifel, wenn es um Straßenbau gehe. Das Gemeinwohl rechtfertigte dies. Bei der Verstaatlichung von Wohnungsbeständen habe er jedoch große Skepsis, weil sie keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt schaffe, sondern Finanzen binde. Besser wäre es nach Auffassung des 63jährigen die öffentliche Hand baue selbst preiswerten Wohnraum, als ein Unternehmen mit Geld zu entschädigen.

Blickt auf Versäumnisse der Politik: Die Raumplanerin Melanie Kloth von der NRW-Bank in Düsseldorf.

Binnenwanderung

Die aus Düsseldorf angereiste Repräsentantin der NRW-Bank, Melanie Kloth, blickte gleichfalls auf die Versäumnisse der Politik, wodurch Wohnungen heute mehr oder weniger als Kapitalanlage betrachtet würden. Da Nordrhein-Westfalen entgegen ursprünglicher demografischer Prognosen wieder wachse und die Binnenwanderung von den ländlichen Dörfern in die Mittelstädte zugenommen habe, registriere man zwischen Rhein und Weser eine stetige Nachfrage an Wohnraum. Die Leiterin für Wohnraumförderung und Beobachtung des Wohnungsmarktes erklärte, dass von den im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen benötigten 80.000 Wohnungen lediglich knapp die Hälfte geschaffen wurde. Am Geld scheitere Wohnraumförderung nicht, denn von 2018 bis 2023 würden in Nordrhein-Westfalen jährlich 1,1 Milliarden Euro für die Wohnraumförderung zur Verfügung stehen. Das Problem sah auch sie im nicht ausreichenden Bauland und den überhöhten Grundstückskosten. Die studierte Raumplanerin plädierte dafür, den kommunalen Handlungsspielraum bei der Bodenpolitik stärker zu nutzen. 

Möchte den sozialen Wohnungsmarkt in Lippstadt ankurbeln: Josef Niehaus, Vorsitzender der GWL und Mitglied der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Lippstadt. Fotos (4): Karl-Heinz Tiemann

Wohnbauformen

Josef Niehaus, GWL-Aufsichtsratschef, sprach sich für eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus aus. Derzeit unterhalte die GWL etwa 1.600 Wohnungen dieses Typs. Benötigt würden aber bis zum Jahr 2030 zusätzlich 2.000 Wohnungen für Menschen, die ihren Wohnungsbedarf nicht am freien Markt decken können und auf die Festsetzung einer höchstzulässigen Kostenmiete angewiesen seien. Bestürzt zeigte sich der SPD-Ratsherr über den zunehmenden „Nimby Effekt“, der sich mit der Beschreibung „nicht in meinem Hinterhof“ übersetzen lasse, wonach viele Bürgerinnen und Bürger dem sozialen Wohnungsbau zwar positiv gegenüberstehen, ihn aber nicht in ihrem Wohnumfeld wünschen. Die Lippstädter SPD wolle neue Wohnformen, die sich nicht mehr allein in den traditionellen Wohnbauformen, dem Ein- und Mehrfamilienhaus, dem Doppel- und Reihenhaus sowie in Kartenhäusern abbilden lasse, hob Niehaus hervor. „Wir werden neue Wohnbauformen finden müssen, die andere Haushalts- und Lebensformen berücksichtigen“ ist dazu aus dem eingangs zitierten SPD-Thesen „Wohnen, Leben und Arbeiten in Lippstadt“ zum Neubaugebiet „Auf dem Rode“ zu entnehmen.

Hans Zaremba